Die korrekte Ansprache
Die ultimative Frage nach der richtigen Ansprache von Kollegen, Mitarbeitern, Kunden und Partnern, stellt sich mittlerweile häufiger als man denkt. Doch leider ist diese Frage nicht mehr so leicht zu beantworten, da sie von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängt. Erfahren Sie worauf es ankommt und wie Sie entscheiden können, welche Form am besten zu Ihnen und Ihrem Unternehmen passt.
Erst vor kurzem wurde ich von einem Hotelinhaber gefragt, wie die „Du“-Ansprache auch auf die Gäste übertragen werden kann. Denn mit der Neuausrichtung des Hotels, so der Hotelier, würde eben diese Art der Ansprache die Hausphilosophie gegenüber den Hausgästen abrunden.
Wir erleben es tagtäglich. In dem einen Restaurant hört man, wie sich die Mitarbeiter untereinander duzen und der Gast selber ebenfalls mit „Du“ angesprochen wird. Anderswo ist ausschließlich die „Sie“-Form zu vernehmen. Zunehmens ist jedoch der Eindruck zu gewinnen, dass sich die Anrede in der zweiten Person Singular immer mehr in unseren Alltag integriert. Ist dies nur eine Modererscheinung oder ein Thema, dass uns über kurz oder lang alle beschäftigen wird? Gibt es überhaupt das Patentrezept für eine allgemein gültige betriebsinterne bzw. auch betriebsexterne Anredeform? Wie verhalte ich mich gegenüber meinen Gästen, wenn das Unternehmensbild irgendwo zwischen seriös, lustig und cool liegt und die Zielgruppe zwischen 6 und 89 Jahre alt ist?
Die richtige Anredeform ist von vier Faktoren abhängig:
Betrachten wir mal die bisher allgemein gültigen Business-Etiketten, so scheinen diese sich langsam aufzuweichen. Der Vorstandsvorsitzende von Daimler, Herr Zetsche, tritt nur noch bei ranghohen Anlässen mit Krawatte auf. Ansonsten sieht man ihn nur noch ohne Schlips. Vor einigen Jahren wäre dies noch undenkbar gewesen. Ein Bewerbungsschreiben an Google oder Apple mit „Sehr geehrte Damen und Herren“ zu versenden, würde wahrscheinlich nicht so gut ankommen. Hat sich doch hier eine „chillige“ Gemeinschaft geformt, die zwar Leistung fordert, aber eben in einer freundschaftlichen und auf „Du“ basierenden Form.
Beide Beispiele sind ein Synonym dafür, wie sich in den letzten Jahren unsere „Arbeitskultur“ im Wandel befindet. Strikte Formalien, starre Hierarchien und formelle Umgangsformen sind anscheinend „verstaubte“ Etiketten geworden, die nicht mehr in unsere Zeit passen wollen. Aber woher kommt dieser zunehmende Wandel und welche Faktoren sind dafür ausschlaggebend?
Für den schleichenden Wandel spielen unter anderem folgende Faktoren eine Rolle:
Die Region und die Nationalität:
In den USA oder aber auch in den skandinavischen Ländern ist die „Du“-Ansprache bzw. die Anrede mit Vornamen in Firmen weit verbreitet. Gerade mit dem amerikanischen „You“ lässt sich auch kein großer Unterschied zwischen „Sie“ und „Du“ herbeiführen. Regionale Unterschiede lassen sich aber auch ausmachen: Zum Beispiel in manchen Regionen von Bayern oder auch in Österreich ist das Duzen in Unternehmen in ländlichen Gebieten noch verbreiteter als in den Städten.
Die jeweilige Branche:
Schaut man sich die Medien- und Kreativbereiche sowie die Branchen IT und Handel näher an, so wird hier fast durchweg geduzt, während z.B. in der Berater- und Finanzbranche das förmliche „Sie“ häufig angewandt wird. Wobei auch hier, durch den stetigen Generationswechsel, die förmliche Ansprache der legeren Umgangsform „Du“ weicht. Bis vor ein paar Jahren galt noch folgende, grobe Orientierungsregel: In Branchen, in denen Anzug und Krawatte als Dresscode getragen werden, kommt in der Regel die „Sie“-Ansprache zur Anwendung. Wie das Beispiel Herr Zetsche zeigt, auch keine Faustregel mehr, die Bestand hat. Denn auch im Weltkonzern Daimler kommt die „Du“-Ansprache immer mehr zur Anwendung. Eine andere Branche zeigt auch, dass die „Du“-Ansprache gegenüber den Kunden, ob alt oder jung, sehr erfolgreich sein kann: IKEA.
Die Unternehmenskultur und das Image:
Zunehmend wird in Unternehmen mit flachen Hierarchien geduzt, egal ob mit 10 Mitarbeitern oder mit über 1000 (siehe Google, Ikea). Hierdurch soll der kollegiale sowie lockere Umgang durch die „Du“-Anrede forciert und das Image eines dynamischen und teamorientierten Unternehmens nach außen transportiert werden. Übrigens auch ein Teil einer neuen Strategie im Mitarbeitermarketing zur Findung und Bindung von Mitarbeitern. Junge Nachwuchskräfte, aus dem Zeitalter der X und Y Generation, wünschen sich zum Teil eine lockere Ansprache, auch wenn es um seriöse Berufszweige geht und fühlen sich bei einer Stellenanzeige mit der „Sie“ Ansprache eher abgeschreckt. Somit ist auch ein Umdenken bei der Schaltung von Annoncen auf die „Du“-Form möglicherweise sinnvoll.
Die internen Unternehmensstrukturen:
Schaut man sich so manche interne Unternehmensstrukturen an, so können hier noch zwei unterschiedliche sprachliche Umgangsformen in Gebrauch sein. In der Akquise oder in der Administration wird gesiezt, in der Produktion geduzt. Oder es ist in Abhängigkeit von der Führungskraft: in der einen Abteilung präferiert der eine Abteilungsleiter noch die „Du“-Anrede, ein anderer hingegen legt Wert auf das Siezen. Wobei man bei dieser Form der „Misch-Anrede bzw. Sprache“ auch von einer nicht ausgereiften, einheitlichen Unternehmenskultur sprechen könnte, denn ein Unternehmen sollte, ob intern oder extern, immer dieselbe Sprache transportieren.
Ansprache in der Zukunft
Die aufgezeigten Faktoren zeigen schon mal eines auf: Aufgrund der zunehmenden Globalisierung und der Tatsache, dass auch die bisherigen regionalen wie auch nationalen Kulturen mehr und mehr aufweichen und zu einer Einheitskultur zusammenwachsen, wird auch die persönliche Ansprache künftig immer weiter vereinheitlicht werden. Spannend wird der Zeitpunkt sein, wenn der technische Fortschritt weiter Einzug gehalten hat und die sogenannten Roboter vermenschlicht werden. Wie soll dann ein „technischer“ Mensch angesprochen werden? „Sie“, Herr Roboter oder doch besser „Du“, R2 D2?
Welche Vor- und Nachteile hat die „Du“-bzw. „Sie“-Ansprache?
Blättert man so die Stellenanzeigen durch, so wollen sich viele Betriebe als junges, dynamisches sowie zeitgemäßes Unternehmen darstellen. Liest man jedoch den Anzeigentext durch, so findet sich relativ schnell ein Widerspruch. Zum einen findet sich ein Text in der „Sie“-Ansprache, der irgendwie im 20. Jahrhundert stehen geblieben und erzkonservativ ist, aber auf der anderen Seite werden neue Mitarbeiter gesucht, die mit neuen Innovationen sowie mit aktuellem „Zeitgeist“ das junge, motivierte Team vervollständigen sollen. Also wer soll hier angesprochen werden?
Hier gilt es Farbe zu bekennen und sich eindeutig für eine Anspracheform zu entscheiden. Ohne Wenn und Aber. Aber welche der beiden Formen passt zu meiner Unternehmemsphilosophie?
Vor- und Nachteile des Duzens:
Wir kennen die Situation wahrscheinlich alle. Bei Menschen, die wir duzen können, fühlen wir uns wohler und entspannter. Beziehungen können so schneller und intensiver aufgebaut werden. „Du“-Teams entwickeln so ein intensiveres Gemeinschaftsgefühl, was wiederum zu einer stärkeren Identifizierung mit dem Betrieb beitragen kann und die Eigen-Motivation anhebt. Unternehmen, bei denen die „Du“-Ansprache vorrangig umgesetzt wird, glauben, dass Führungskräfte sowie Mitarbeiter so schneller integriert werden. Auch sind sie der Meinung, dass fachliche wie auch zwischenmenschliche Herausforderungen schneller angesprochen und gelöst werden.
Aber es gibt auch Widerstand gegenüber dieser Einstellung. Das Verhältnis zum Chef wird jedoch mit einem „Du“ nicht automatisch einfacher und kann gerade dadurch erschwert werden. Das „Du“ in Situationen wie Lohnverhandlungen, Kündigungen oder Kritik kann eben diesen Prozess bremsen bzw. auch blockieren. Zum anderen kann es eine Vertraulichkeit suggerieren, die nicht gegeben ist. Ein „Du“ kann aber auch respektlos wirken, wenn z. B. fremde Mensch einfach geduzt werden, ohne dass das „Du“ angeboten wurde.
In einigen Firmen gibt es deshalb auch eine weitere Variante. Man spricht sich mit dem Vornamen an, bleibt jedoch beim „Sie“.
Vor- und Nachteile des Siezens:
Das Siezen hingegen vermittelt Distanz und Respekt. Es signalisiert und fördert nach innen wie nach außen einen höflichen Umgang miteinander. Es trägt ebenso dazu bei, dass mögliche Auseinandersetzungen nicht so schnell emotional und persönlich werden sowie Diskussionen sachlich bleiben. Ein weiterer Vorteil vom „Sie“ kann sein, dass man die Menschen so in Ruhe kennenlernen kann und dann entscheidet, ob man das „Du“ anbietet. Allerdings ist dann eine Rückkehr zum „Sie“ fast unmöglich. Die „Sie“-Form kann aber auch negative Auswirkungen haben. Nämlich genau dann, wenn jemand die meisten seiner Kollegen duzt und nur einige siezt. Dies könnte für die Letzteren so gedeutet werden, dass sie möglicherweise abgelehnt werden oder sie bewusst auf Distanz gehalten werden, was wiederum als negativ wahrgenommen werden kann. Und noch eines: Wer beim „Sie“ bleibt, obwohl man ihm das „Du“ angeboten hat, könnte als steif und altmodisch angesehen werden und so auf zukünftige Ablehnung stoßen.
Per „Sie“ oder per „Du“ – welche Anredeform ist zu bevorzugen?
Diese Frage lässt sich natürlich nicht pauschal beantworten, da in diesem Zusammenhang stets mehrere Faktoren berücksichtigt werden sollten, die von Unternehmen zu Unternehmen erheblich voneinander abweichen können. Das Zusammenspiel von Branche, Unternehmenskultur, Philosophie, Zielgruppen und Generations-Mix ist hier entscheidend. Letztlich ist es eine betriebsinterne Entscheidung, die es gut abzuwägen gilt. Denn wenn ich intern wie auch extern die „Sie“-Form wähle, kann es zu erheblichen Widersprüchen kommen, wenn z.B. auf Facebook die User geduzt werden. Das kann dann zuweilen zu komischen Dialogen führen (zum Beispiel bei Beschwerde-Posts oder in Shitstorms).
Auch bei uns in der Unternehmermanufaktur stand die Frage „Du“ oder „Sie“ im Raum und wurde ausführlich diskutiert. Letztendlich haben wir uns auf das interne „Du“ geeinigt. Auslöser war eine ausgearbeitete Stellenanzeige bei der es darum ging, wie hier die potentiellen Bewerber angesprochen werden sollten. In Bezug auf die Position und auf die Formalien erschien für uns alle die „Du“-Ansprache als sinnvollstes Instrument. Doch einmal „Du“ heißt immer „Du“. Denn in einer Anzeige die „Du“-Form zu wählen heißt auch, diese Art der Anrede auch im weiteren Prozess fortzuführen. Ohne Ausnahme! Ansonsten macht man sich unglaubwürdig, was für die weitere Vertrauensbildung nicht gerade förderlich ist.
Fazit
Es ist nicht mehr möglich, eine allgemeingültige Aussage zu treffen, wenn es darum geht, welche Anrede-Form zu wählen ist. Neben der sozialen Etikette spielen viele Faktoren in dieser Entscheidung eine Rolle. Der vorliegende Beitrag soll Ihnen als Hilfe dienen und Ihnen einige dieser Faktoren vor Augen führen.
Wenn Sie unsicher sind, welche einheitliche Anredeform Sie zukünftig in Ihrem Betrieb etablieren möchten, versuchen Sie auch mal Ihre Mitarbeiter in diese Fragestellung mit einzubinden, oder tauschen sich mit Kollegen und Kolleginnen aus Ihrer Branche aus. Welche Erfahrungen haben diese bereits sammeln können?
Sollten mal alle Stricke reißen und Sie stehen einer Situation gegenüber, bei der die Festlegung auf „Du“ oder „Sie“ unmöglich erscheint, haben wir in der deutschen Sprache ja auch immer noch das „man“, dass uns bei einem gewissem Formulierungsgeschick weiterhelfen kann…
Ich würde mich auf jeden Fall sehr freuen, wenn „man“ mir ein paar Feedbacks geben würde, wie bisher mit der Frage nach dem „Du“ oder „Sie“ im Team oder auch in der Ansprache mit Gästen umgegangen wurde.
In diesem Sinne,
herzlichst
(Ihr) Jan (Schmidt-Gehring)
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